Der Geist der Hyperinflation wandert wieder durch die Medien. Headlines mit Gefahren über Geldentwertung rufen bei manchen Menschen Bilder hervor, in denen nach dem Ersten Weltkrieg das Geld in Schubkarren zum Bäcker gefahren wurde, um Brot zu kaufen.
Dabei wird der Begriff Inflation viel zu schnell mit diesem Szenario in Verbindung gebracht.
Die Regierung war damals bereits hoch verschuldet, sodass die hohen Kriegskosten, Reparationsleistungen an die Siegermächte und das nicht vorhandene Angebot an Waren zu einer übermäßig schnellen Preissteigerung führte.
Inflation an sich zeigt den steigenden Preisverlauf von Waren in einem Vergleichszeitraum an und somit die Kaufkraft des vorhandenen Geldes. Steigen die Preise konstant, sinkt die Kaufkraft.
Dabei spielt die „gefühlte“ Inflation eine besondere Rolle. Denn jeder Einzelne hat seine eigenen Präferenzen beim Konsum. Steigt der Preis für Obst und Gemüse, wird es Vegetariern wohl eher auffallen als Menschen, die dem Fast Food zugeneigt sind. Grundsätzlich ist zu beobachten, dass sich höhere Kosten bei der Produktion durch hohe Rohölpreise oder Rohstoffknappheit bei den Preisen von Konsumgütern und Dienstleistungen widerspiegeln.
Unterschätzt wird eher die Deflation, bei der sich die reale Kaufkraft, also die Nachfrage über einen längeren Zeitraum auf niedrigerem Niveau hält als das Angebot. Als Folge fahren Unternehmen die Produktion herunter, kürzen Löhne oder entlassen Mitarbeiter. Die steigende Arbeitslosigkeit verstärkt den Konsumrückgang nachhaltig und fördert den Trend, wenn keine Gegenmaßnahmen getroffen werden.
Eine Inflationsrate, die mittelfristig bei 2 % liegt, wird seit Juli 2021 von der Europäischen Zentralbank als Ziel zur Preisstabilität angestrebt, das bedeutet, man kann beispielsweise im Verlauf eines Jahres annähernd mit 100 € die gleichen Waren kaufen. Eine steigende Inflation kann sich somit auch über einen längeren Zeitraum einer stabilen Wirtschaftslage zeigen, in der aber durch die Preisbildung eine Weiterentwicklung von Produkten und Dienstleistungen möglich ist.
Zu beobachten ist dabei die Geschwindigkeit der Preissteigerung. Man spricht bei einer jährlichen Rate von 3 % von einer schleichenden, bis zu 10 % von einer trabenden und darüber hinaus von einer galoppierenden Inflation.
Eine Hyperinflation zeigt sich mit einer monatlichen Rate von 50 %.[1]Die Grenzen dabei sind jedoch fließend.
Zu Beginn der Pandemie sank in Deutschland die Nachfrage durch die Schließungen im Lockdown und einer allgemeinen Kaufzurückhaltung der Menschen aufgrund der Ungewissheit über die weitere Entwicklung.
Das Unterstützungsprogramm der Regierung mit Kurzarbeiter- und Überbrückungsgeld sowie die Mehrwertsteuersenkung hat einen Einkommensverlust abgemildert, sodass jetzt in der Phase der Rücknahme von Einschränkungen ein Anstieg der Nachfrage zu sehen ist. Dabei trifft sie jedoch auf ein Angebot, das durch Ressourcenknappheit, steigendem Ölpreis und der neu eingeführten CO2-Abgabe gekennzeichnet ist und damit eine allgemeine Steigerung der Preise verursacht.
Die Verbraucherpreise in Deutschland stiegen im Juli 2021 gegenüber dem Vorjahresmonat um 3,8 Prozent.[2] Flankiert wird dieser Trend von einer anhaltenden Nullzinspolitik und den Staatsanleihenkäufen der Europäischen Zentralbank (EZB), was die Geldmenge (M3) 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um etwa 12 % ansteigen ließ.[3]
Der Zusammenhang zwischen Geldmengen- und Preisentwicklung ist allerdings nicht unumstritten und dient eher mittel- bis langfristig zur Abschätzung der Inflationsentwicklung, da vor allem kurzfristige Faktoren wie Lohn- und Kapitalkosten oder die fiskalpolitische Nachfrage des Staates die Preisentwicklung beeinflussen.[4]
Wann und wie die EZB sich zukünftig verhält, hängt neben dem Verlauf der Pandemie auch davon ab, wie die einzelnen Staaten der Eurozone ihre Schulden beispielsweise durch Steuererhöhungen zurückzahlen, denn das würde auch dazu beitragen, dass die Geldmenge wieder schrumpft.
Am 9. September hat der EZB-Rat bereits eine Reduzierung des Nettoerwerbs von Vermögenswerten im Rahmen des Pandemie-Notfallankaufprogramms gegenüber den beiden Vorquartalen beschlossen und verwies auf eine deutliche Verbesserung der Euro-Wirtschaft, des Arbeitsmarkts und die jüngste Inflationsentwicklung.[5]
Für Unternehmen stellt sich jetzt die Frage, wie sie die erhöhten Produktionskosten in ihre Preispolitik einfließen lassen und welche weiteren Handlungsoptionen ihnen zur Verfügung stehen.
Mögliche Optionen:
- Die höheren Kosten bei Neukunden direkt über den Preis weitergeben.
- Im Gespräch mit Bestandskunden die derzeitige Situation kommunizieren und die Preise anpassen.
- Aufgrund der Erwartung weiter steigender Preise die Lagerkapazitäten im Einkauf voll ausnutzen.
- In Lohnverhandlungen anstatt Gehaltserhöhungen eine Einmalzahlung, Mitgliedschaft in Fitness-Centern, Kindergartenzuschuss, Tankgutscheine etc. anbieten.
Ein weiteres wichtiges Thema für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind Investitionen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, z. B. in neue digitale Technologien.
Die EZB hält erst einmal an ihrer Nullzinspolitik fest, sodass im Moment eine langfristige Kapitalanlage in Sachwerte durch Fremdkapital zu günstigen Konditionen möglich ist.
Auch die strategisch sinnvolle Anlage des Eigenkapitals für ein sicheres Fundament der KMU muss überdacht werden. Die Basisliquidität plus Sicherheitspuffer sollten festgestellt werden, um Liquiditätsengpässe zu vermeiden und gleichzeitig überschüssige Mittel zinsbringend anlegen zu können.
Bei Spareinlagen drohen trotz unterschiedlicher Freibeträge Negativzinsen, also Gebühren, die der Anleger zahlen muss, weil er sein Geld bei der Bank verwahren lässt.
Mögliche Optionen:
Kurzfristig: Tages- und Festgeld
Mittelfristig: konservativ orientierte Dividendenportfolios mit einer Verlustbegrenzung
Langfristig: Direktbeteiligungen z. B. eine Beteiligung an einem Zulieferer, um die Lieferkette zu sichern oder verbesserte Konditionen zu erzielen.[6]
Wichtig bei allen Handlungsoptionen ist die Einschätzung der individuellen Situation des Unternehmens, für die es manchmal einen neutralen Blick von außen benötigt.
von Inga Denk
[1] https://www.gevestor.de/finanzwissen/oekonomie/volkswirtschaft/inflationsrate-678544.html
[2] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/08/PD21_377_611.html
[3] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/241829/umfrage/entwicklung-der-geldmenge-m3-in-der-euro-zone/
[4] https://www.bundesbank.de/resource/blob/692330/edb92f984d7bcc1ed9bc323037c22b25/mL/2005-01-geldmenge-data.pdf
[5] https://www.ecb.europa.eu/press/pr/date/2021/html/ecb.mp210909~2c94b35639.de.html
[6] https://creditreform-magazin.de/finanzen/geldanlage-fuer-kmu-diese-investments-versprechen-gute-rendite/